Beton der Kelchstützen
Der Stuttgarter Bahnhof – ein großartiges Kunstwerk – eine Heraus­for­derung an den Beton


Begehung Baustelle S21 in 2019

2022_Stuttgart_Sichtbeton_weit

Die Anmutungs­qualität des Sichtbetons der Kelchstützen im Bahnhof des Projekts Stuttgart 21 (Architekt Christoph Ingenhoven)

28 weiße Kelchstützen

Der neue Stuttgarter Bahnhof

Der geniale Entwurf des Architekten Christoph Ingenhoven mit seinem Tragwerk aus 28 weißen Kelchstützen bewirkt die Einmaligkeit und Schönheit des neuen Stuttgarter Bahnhofs. Die Konstruktion schafft mithilfe des Werkstoffs Beton ein Bauwerk von hohem ökologischen Wert.

Das Wärmespei­cher­vermögen des Betons dämpft Kälte im Winter und Hitze im Sommer. Durch seine tiefe Lage bleibt der Bahnhof bereits von sich aus im Sommer kühl und im Winter durch den Bahnbetrieb warm und benötigt deshalb keine Heizung.

Das Dach erscheint in der Bahnhofshalle als das zentrale Element mit hoher gestal­te­rischer Bedeutung. Um die extrem hohen Ansprüche besonders auch an die optische Qualität der Kelchstützen zu erfüllen, wurden ein spezieller Beton und spezielle Verfah­rens­schritte bei der Schalung, der Bewehrung und dem Betonieren entwickelt.

Vier Hauptfor­de­rungen wurden an die Ausführung der Kelchstützen aus Stahlbeton gestellt:

  • Der Beton soll von sich heraus weiß sein
  • Die Betono­ber­flächen sollen frei sein von Poren
  • Die autogene Erwärmung des Betons darf 70 °C nicht überschreiten
  • Der Beton muss feuerbe­ständig sein

Die Farbe Weiß und die Erhärtungs­tem­peratur unter 70 °C

Weißer Portland­zement setzt bei seiner Erhärtung (Hydratation) etwa 450 kJ/kg Wärmeenergie frei. Diese Energie kann Beton zum Kochen bringen. Bei den Kelchstützen wird deshalb ein Teil des Portland­zements (Weißzement) durch Hüttensand (Hochofen­zement) ersetzt.

Hüttensand enthält natürliche Metall­sulfide. Ihre charak­te­ris­tische Farbe ist dunkelblau. Deshalb erscheint der frisch ausgeschaltete „weiße“ Beton bläulich.

Das Phänomen nennt man „Greening“, ein interna­ti­onaler Forschungs­ge­genstand. Der Sauerstoff der Luft (24 %) wandelt mit der Zeit die dunklen Metall­sulfide in farblose Metall­sulfate um.

Porenfreiheit

Wegen der dreidi­men­sional gekrümmten geometrischen Kontur wurden die Schalungs­elemente aus massivem Holz gefräst. Die Oberflächen wurden mit Epoxidharz beschichtet, zum Schutz des Holzes aber auch zur Beherr­schung der Oberflä­chen­spannung gegen eine Porenan­sammlung an der Oberfläche.

Ein Wasser­ab­sondern des Betons, genannt Bluten, ist nicht erlaubt. Eine nach der Fuller & Thompson–­Theorie optimierte Sieblinie der Gesteins­körnung trägt mit zur Lösung bei.

Bauche­mische Produkte optimieren die Stabilität und das Fließver­halten des Betons.

Feuerbe­stän­digkeit

Der Nachweis erfordert:

  • Ein Aufheizen innerhalb von zwei Minuten auf 1.200 °C,
  • Halten dieser Temperatur eine Stunde lang,
  • Absenken der Temperatur auf die Umgebungs­tem­peratur.

Das Ziel ist: keine Abplat­zungen. In besonders deutlicher Weise erfüllt nicht zuletzt wegen des geringeren Wasser­gehalts der Beton mit der Gesteins­körnung 0/16 mm gegenüber feineren Mischungen diese Anforderung. In jedem Fall muss Marmor (Kalkstein) als Gesteins­körnung verwendet werden.

Günstig ist nicht nur das E–Modul-Verhältnis von Kalkstein gegenüber Zementstein, sondern Kalkstein bleibt im Gegensatz zum Quarz bei Temperaturen über 573 °C (Quarzsprung) in seinem Volumen stabil.

Eine Restfeuchte von mehr als 5 % würde zu Abplat­zungen im Brandversuch bereits bei Temperaturen von 100 bis 150 °C führen. Deshalb werden der Betonmi­schung 2 kg Kunststoff­fasern pro Kubikmeter Beton zugesetzt, die den Wasserdampf bei Überdruck ableiten.

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